Stolpersteine in Bischmisheim – auch für Mathilde Tausend

Stolpersteine in Bischmisheim

– auch für Mathilde Tausend

Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig sind das größte dezentrale Mahnmal der Welt. In ganz Europa erinnern sie im öffentlichen Raum an Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, entrechtet, vertrieben oder ermordet wurden. Mit einer kleinen Messingplatte vor dem letzten selbstgewählten Wohnort holen sie die Namen und Geschichten der Opfer zurück in die Mitte unserer Gesellschaft – leise, aber eindrücklich.

Auch in Bischmisheim sind Stolpersteine verlegt. Sie mahnen und erinnern an das, was im Nationalsozialismus auch hier im Dorf geschehen ist – an das Leid von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, das viel zu lange verschwiegen oder vergessen wurde. Jeder Stolperstein ist ein Zeichen gegen das Vergessen und ein Aufruf, sich aktiv mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen – gerade in Zeiten, in denen demokratische Werte erneut unter Druck geraten.

Ein aktuelles Beispiel ist die Geschichte von Mathilde Tausend, die mit ihrer Familie am Geisberg 96 lebte. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes erkrankte sie schwer. Sie wurde in verschiedenen Heil- und Pflegeanstalten behandelt – zuletzt in Weilmünster. Am 20. Februar 1941 wurde sie im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ nach Hadamar gebracht und dort noch am selben Tag ermordet – Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms, das Tausenden psychisch kranken und behinderten Menschen das Leben kostete. Ihren Angehörigen wurde ein falsches Todesdatum mitgeteilt – die wahren Umstände wurden verschleiert, wie bei so vielen anderen Opfern.

Mit einem Stolperstein für Mathilde Tausend wird nun auch in Bischmisheim an diese Frau erinnert – an ihr Leben, ihr Leiden und ihr gewaltsames Ende. Ihr Schicksal steht stellvertretend für viele, die aus der Mitte der Gesellschaft gerissen wurden.

Die Stolpersteine sind keine Steine zum Stolpern im wörtlichen Sinn, sondern laden dazu ein, innezuhalten, sich zu bücken, zu lesen – und nachzudenken. Sie sind Zeichen lebendiger Erinnerungskultur. Und sie sind heute aktueller denn je: Denn nur wer erinnert, kann Verantwortung übernehmen – für die Vergangenheit und für die Zukunft.

© Foto: Werner Johann

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